Kommentar zum Kassenmanipulationsgesetz

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pichel
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Kommentar zum Kassenmanipulationsgesetz

Beitrag von pichel »

Hallo,

angeblich entgehen dem Fiskus Einnahmen in Milliardenhöhe, weil Nutzer von elektronischen Kassen die Umsätze nicht ausweisen würden. Als Konsequenz daraus ist das Kassenmanipulationsgesetz (§146a AO) entstanden, welches vor allem den Gastronomen in einigen Jahren das Leben ziemlich schwer und teuer machen wird. Im Grundsatz geht es darum, dass alle Kassenaufzeichnungen durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung geschützt sein sollen.

Ich verfolge die Diskussion schon seit längerer Zeit und die Entwicklung stimmt mich sehr bedenklich. Deswegen möchte ich kommentieren, was das Kassenmanipulationsgesetz aus meiner Sicht für die Gastronomie bedeutet.

Zunächst einmal wundern mich die Schätzungen über die aufgrund nichtversteuerter Einnahmen entgangenen Steuereinnahmen. Mal sind es Milliarden, mal nur Millionen - meist fehlt die Angabe über den Zeitraum, den Ort der Steuerhinterziehung (Gastronomie, Einzelhandel, alles?) und aufgrund welcher Basisdaten die Schätzungen zustande gekommen sind. Warum schaut man sich nicht an, wie groß der Steuergewinn in Ländern geworden ist, die auf einen Manipulationsschutz umgestiegen sind und rechnet diese auf Deutschland um? Es drängt sich der Verdacht auf, dass die treibenden Kräfte keinerlei Interesse an einer fundierten Ausgangsanalyse haben.

In diesem Zusammenhang wäre es auch sehr interessant zu erfahren, welche Kosten bisher entstanden sind. Schließlich werden sich diverse Beamte aus dem BMF mit dem neuen Gesetz befasst haben und weiterhin müssen, denn üblicherweise erstellt das BMF in Folge ein sogenanntes BMF-Schreiben, um das Gesetz zu interpretieren, d.h. wie die Umsetzung konkret auszusehen hat.

Sollte das Gesetz in der Form ab 2020 Anwendung finden, bedeutet das für Gastronomen, dass - wenn Sie eine elektronische Kasse einsetzen - diese den technischen Vorschriften entsprechen und zertifiziert sein muss. Die Zertifizierung wird der Kassenhersteller bezahlen müssen. Es gibt Aussagen aus dem Ministerium, nach denen die Zertifizierung schon ab 75.000 Euro zu haben sein wird.

Eine Zertifizierung in dieser Preisklasse werden diverse kleinere Kassenhersteller nicht leisten können. Es werden einige große Player übrigbleiben, die diese Kosten natürlich auf ihre Kunden umlegen müssen. Fest steht jedenfalls, dass nichtkommerzielle Software wie mein OrderSprinter dann vom Markt verschwinden werden.

Zusätzlich kann man wohl davon ausgehen, dass weitere Zusatzkosten auf Gastronomen zukommen: Ohne digitale Zertifikate und eine eigene Signaturerstellungseinheit (siehe Österreich) wird die geforderte Sicherheit kaum umsetzbar sein.

Die Folge des Kassenmanipulationsgesetzes könnte sein, dass viele Gastronomen ihren Betrieb einstellen müssen, genauso wie etliche kleinere Anbieter kommerzieller Kassensysteme. Es werden also Arbeitsplätze abgebaut werden müssen, aber die entstehenden Folgekosten werden ja aus einem anderen Topf bezahlt.

Auch jetzt geben die gesetzlichen Möglichkeiten den Steuerfahndern weitreichende Befugnisse, um Steuerhinterzieher zu identifizieren. Wurden bisher wirklich alle Möglichkeiten ausgenutzt, die schwarzen Schafe in der Gastronomie zu finden? Oder spiegeln die politischen Entscheidungen eher die Arbeit diverse Lobbyisten wieder? Jedenfalls werden zunächst einmal alle Gastronomen unter Generalverdacht gestellt und müssen auf eigene Kosten beweisen, dass sie sich an Recht und Ordnung halten. Kann das richtig sein?

Mich würde interessieren, wie ihr darüber denkt.

Gruß,

Stefan
Stefan Pichel
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olymp
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Re: Kommentar zum Kassenmanipulationsgesetz

Beitrag von olymp »

Hallo Stefan,

ich habe soeben deinen Beitrag gelesen, und das Ganze trifft genau den Punkt, den ich im Moment bei der Planung des neuen Kassensystems bei meinem Freund habe.

Seine Aussage: "Ordersprinter ist super und ist deutlich besser als das System was ich jetzt habe. (CASIO Kiste mit deren unübersichtlichem System)
Aber wenn die neuen Kritierien des BMF nicht erfüllt werden, ist das natürlich ein "KO-Kriterium."

Die Aussage hat mich natürlich betrübt, weil ich schon viele Stunden Arbeit in Aufsetzen des RasPI, Einrichtung und Konfiguration des Ordersprinters eingesetzt habe.
Dennoch kann ich seine Aussage natürlich verstehen.

75.000 EUR für eine Zertifizierung ist natürlich eine Menge Geld, die du, Stefan, selbstverständlich nicht investieren kannst.
Das Aus für den Ordersprinter wäre die logische Folge, und in meinen Augen eine absolute Tragödie.

Als Ausweg sehe ich hier nur eine Möglichkeit, die aber sicherlich von der aktuellen Anzahl der Ordersprinter-Nutzer und dem Team von Gastrosprinter abhängt.

Eine Finanzierung der Zertifizierung durch Crowdfunding.

Sicherlich wäre das für die Anwender nicht so schön, weil dadurch auch das Modell "absolut Kostenlos" verloren ginge.

Aber mal ehrlich:

Wenn das hilft, den Ordersprinter am Leben zu halten und seine Zukunft zu sichern, in der er kostenlos bleiben kann, wäre es eine schöne Sache.

Der Ordersprinter ist derzeit nunmal die einzige, wirklich kostenlose Lösung in diesem Bereich, und es wäre, wie schon oben gesagt, eine Tragödie.
Nicht nur für die Nutzer, sondern auch für dich, Stefan.
Ich weiß wie es ist, wenn man ein über so viele Jahre entwickeltes Projekt "beerdigen" muß.
Ich kenne das von mir auch (ehemalige Websiten etc..)

Es wäre schön, wenn sich die anderen auch mal dazu äussen würden.

So, jetzt ist es 16:01. Erstmal frühstücken.

Schöne Grüße aus Melle
Kurt
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pichel
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Re: Kommentar zum Kassenmanipulationsgesetz

Beitrag von pichel »

Hallo Kurt,

schön, dass du es genauso siehst - ich bin jedenfalls sehr enttäuscht, dass so ein Gesetzesentwurf mit diesen Vorgaben so durchgekommen ist.

Wenn ich es allerdings richtig verstehe, hat man - insofern man eine GoBD-kompatible Software bis Ende 2019 in Betrieb genommen hat - bei Berücksichtigung der Übergangsfrist 6 Jahre Zeit, um auf ein System umzurüsten, welches dem neuen Kassenmanipulationsgesetz genügt.

Da meines Wissens noch keine technische Detailspezifikation vorliegt, kann es derzeit noch überhaupt kein System geben, welches garantiert bereits der ab 2020 gültigen Rechtslage entspricht. Wie in Österreich wird es viele Hersteller geben, die ihr Produkt vom Markt nehmen werden, weil sie die Umsetzung nicht gewuppt bekommen. Die Aussagen einiger Kassenhersteller, die damit werben, dass sie schon jetzt die Vorgaben erfüllen, finde ich ziemlich verwunderlich, denn wie kann man etwas bestätigen, das noch gar nicht festgelegt wurde?

Außerdem gehe ich davon aus, dass nur wenige Player auf dem Markt bleiben. Und ob das unbedingt die derzeit marktbeherrschenden Unternehmen sein werden, ist ebenso fraglich. Wenn die Kosten größer als die zu erwartenden Einnahmen im Kontext einer Wettbewerbssituation und der damit verbundenen finanziellen Risiken sind, entscheiden sich auch große Hersteller oft für lukrativere Märkte.

Was ich damit sagen möchte: Sich jetzt für auf ein System hinsichtlich des Kassenmanipulationsgesetzes zu entscheiden, halte ich schlicht für unsinnig, weil die Entscheidung nur nach Befragung einer gut funktionierenden Glaskugel Sinn machen würde. Aber wer hat die schon im Haus...

Gruß,

Stefan
Stefan Pichel
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olymp
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Re: Kommentar zum Kassenmanipulationsgesetz

Beitrag von olymp »

Ja das ist mal wieder typisch, wenn die Staatsspezialisten was ausbrüten.
Da sieht man wieder was dabei rauskommt, wenn sich Laien etwas ausdenken.

Keine Ahnung von IT, einfach mal was im "Laien-Köpfchen" zusammenspinnen und dann geht das schon.

Man kann ja alles einfach programmieren.

Aber dann stellt der Staat wenn es soweit ist, IT Experten ein oder es gibt den hochbezahlten TÜV.
Die führen dann eine Zertifizierung durch in der wahrscheinlich jeder Millimeter Quellcode der Software geprüft wird.
Und dann werden die Hersteller in die Aufgabe gezwungen, weil Sie das ganze nicht finanzieren können.

Und wer legt überhaupt die Preise da fest ?
Geht es da um Zertifizierung oder um Einnahmen die generiert werden sollen ?!
Ich weiß ja wie der TÜV arbeitet, wenn es um Kinderfahrräder oder so was geht, aber bei einer Software.
Au Mann....

Wie siehst du denn die Idee mit dem "Crowfunding" für die Zertifizierung ?
Ist das eine Idee oder findest du das unrealistisch ?

Aber auch wieder mal ein schönes Schmankerl aus dem altbekannten Battle "Marketing vs. IT"
Da wird den Kunden vom Marketing was versprochen, was die IT noch nicht umgesetzt haben kann, weil die Regeln noch gar nicht feststehen.
Aber so kenne ich das auch, aus meiner Berufslaufbahn. Das Marketing hat ne Idee, die Geschäftleitung findet es gut, und hinterher ist es keiner gewesen.

Erinnert mich an einen Fall, als ich in einem "Startup" angefangen habe.
Marketing erstellt die wunderschön gestalteten Auftragsformulare, Rechtsabteilung baut die AGB´s dazu, Geschäftleitung sagt toll.
Dann, als die fertig gedruckten Aufträge (200.000 Auftragsformulare) vom Drucker geliefert werden, kommt eine Marketingfrau ins Call-Center, und will sich von den "niederen" Head-Set-Hauptschülern für die im Papierform erstellte Intelligenz feiern lassen.

Jeder Mitarbeiter bekommt einen Auftrag, alle gucken und lesen.

Nach zwei Minuten sagt ein "Teilzeit-Telefonierer" ganz trocken: "Wieviele habt Ihr gedruckt ?" "200.000" "Na dann Viel Spass beim Entsorgen. Und beim neuen Druck die Widerufsbelehrung nicht vergessen !"

Was sagt uns das?
Bevor man loslegt einfach mal verschiedene Leute "drüberschauen" lassen. So wäre da sicherlich was vernünftiges bei rausgekommen.
Und das nicht nur bei den Softwareherstellern, sondern auch beim BMF.

Ich kann nur hoffen, daß da wirklich noch ne Wende kommt, die das alles vereinfacht.
Aber wann ist das im politischen Bereich passiert. Meist wird ja leider nur "verschlimmbessert"

Hätte gerne jetzt schon eine Antwort, aber die wird wohl nicht so schnell verfügbar sein.

Mich würde noch interessieren, was dein befreundeter Finanzspezi dazu sagt.
Kann man den Ordersprinter die nächsten Jahre beruhigt einsetzten ?
Ich meine, wenn man bis 2020 + einige Jahre Karenz damit arbeiten kann ist ja erstmal alles ok.
Wer weiß was bis dahin alles passiert.
Wenn es dann was "zertifiziertes" sein muss, kann man dann immer noch auf eine komerzielle Lösung umsteigen, aber bis dahin sein Geld sparen.
Insbesondere bei einer jungen Firma, die sich noch nicht amortisiert hat.

Schöne Grüße
Kurt
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pichel
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Re: Kommentar zum Kassenmanipulationsgesetz

Beitrag von pichel »

Hallo Kurt,

vielen Dank, dass du deine Meinung hier in diesem Forum so detailliert geschrieben hast. Ich stehe weiterhin zu allen Aussagen in meinem ersten Kommentar mit Ausnahme der Zertifizierung. Nachdem ich mich einige weitere Stunden mit dem verabschiedeten Gesetz beschäftigt habe, komme ich mittlerweile zu einer anderen Interpretation bzgl. Zertifizierung und deren Kosten für den Kassenanbieter.

Lass mich also etwas über die Zertifizierung schreiben. Damit gehe ich indirekt auch auf die meisten Fragen deiner letzten Antwort ein. Es gab zwei verschiedene Entwürfe, hier als "Regierungsentwurf" und als "Referentenentwurf" bezeichnet. Laut Referentenentwurf "(obliegt) die Erfüllung der Zertifizierungsanforderungen den Kassenherstellern". Beschlossen wurde jedoch der Regierungsentwurf, demnach "die digitalen Aufzeichnungen (...) durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen (sind). Diese zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung muss aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle bestehen."

Diese beiden Entwürfe werden jedoch wild vermischt, sogar auf der Seite des Bundesregierung (https://www.bundesregierung.de/Content/ ... hnung.html) heißt es in der Überschrift "Elektronische Kassen künftig zertifiziert", während sich im Textteil dieser Abschnitt findet: "Das Gesetz sieht vor, dass elektronische Aufzeichnungssysteme - beispielsweise Registrierkassen - künftig nur noch mit "zertifizierter Sicherung" eingesetzt werden dürfen. Die technischen Anforderungen für die Sicherungssysteme definiert und zertifiziert das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)."

Als ich den ersten Kommentar geschrieben habe, war auch mir der Widerspruch nicht aufgefallen. Das Gesetz, so wie es beschlossen wurde, lässt sich hier nachlesen: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/druc ... onFile&v=1

Demnach gehe ich nun davon aus, dass ich nicht die Kassensoftware zertifizieren muss, sondern eine Sicherheitseinrichtung anbinden muss, die zertifiziert sein muss. Die Zertifizierung muss nach meinem Verständnis der Anbieter der Sicherheitseinrichtung bezahlen (natürlich wird er es auf die Kunden, also die Kassenhersteller bzw. Endanwender umlegen).

Der DstV hat eine informative Stellungnahme veröffentlicht, nachzulesen unter: http://www.dstv.de/interessenvertretung ... ssengesetz. Darin steht unter anderem:

"Der Regierungsentwurf schränkt im Gegensatz zum Referentenentwurf den Umfang der Zertifizierungspflicht ein. Demnach sollen nach § 146a Abs. 3 S. 2 AO-E nur noch das Sicherheitsmodul, das Speichermedium und die einheitliche digitale Schnittstelle zertifiziert werden – nicht mehr jedoch z. B. die elektronische Aufbewahrung der Aufzeichnungen (wie noch in § 146a Abs. 3 Nr. 2 Bst. d AO-RefE geplant).

Es heißt, dass Änderungen der Kassensoft- oder Hardware, die nicht die technische Sicherheitseinrichtung betreffen, die Wirkung des Zertifikats unberührt lassen. Ob allerdings benutzerdefinierte Kasseneinstellungen die technische Sicherheitseinrichtung unberührt lassen, ist nicht klar beschrieben."

Es gibt also weiterhin einen großen Spielraum bei der Interpretation des Zertifizierungsumfangs und der Frage, welche Systemänderungen eine Rezertifizierung erforderlich machen bzw. wo die Kasse aufhört und die Sicherheitseinrichtung anfängt.

Interessant ist übrigens die Einschätzung des BMF (http://www.bundesfinanzministerium.de/C ... onFile&v=2). Unter "E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft" steht folgende Aussage: "Für die Wirtschaft entsteht ein einmaliger Erfüllungsaufwand i. H. v. rd. 470 Mio. Euro für die Neuanschaffung und Umstellung der Geräte und jährlich laufender Erfüllungsaufwand
i. H. v. rd. 106 Mio. Euro für die Kosten der Zertifizierung, Personalkosten für die Mitwirkung bei der Kassen-Nachschau sowie laufende Kosten für Wartung und Support."

Fazit:

Nach meinem jetzigen Verständnis gehe ich im Gegensatz zu meinem ersten Thread nun davon aus, dass
- die Zertifizierungskosten nicht von mir als Kassensoftwareanbieter zu tragen sind,
- neue Kassensoftwareversionen (bisher habe ich manchmal mehrmals pro Monat eine neue Version veröffentlicht) keine Rezertifizierung erfordern.
- es OrderSprinter auch über 2020 hinaus geben wird.

Ich bin Informatiker und kein Jurist und es macht mir überhaupt keinen Spaß, mich mit Gesetzen, Entwürfen, BMF-Schreiben und Co zu befassen. Wenn ich also die neuen Vorschriften doch falsch verstanden habe, bitte ich um Feedback.

Gruß,

Stefan
Stefan Pichel
Entwickler der Kassensoftware OrderSprinter (http://www.ordersprinter.de)
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